Autorenalltag

Recherche – oder: Wie ich lernte, Google Street View zu lieben

Wenn man als Autor das Wort Recherche hört, denkt man entweder an investigative Reporter mit Lederjacke und Notizblock oder an Leute, die seit drei Wochen in der Bibliothek wohnen und sich von Kaffee und Verzweiflung ernähren.
Ich hingegen denke an… Google Street View. Und an einen leicht überambitionierten Italienurlaub.

Von Phantasie zu Pasta – der Aha-Moment

Am Anfang meiner „Recherchekarriere“ bestand mein Werkzeugkasten aus drei Dingen:

  1. Google,
  2. meiner eigenen Vorstellungskraft und
  3. der festen Überzeugung, dass man alles mit ein bisschen Bauchgefühl schon irgendwie hinkriegt.

Und ja, manchmal stimmt das sogar. Aber dann kam der Italienurlaub.
Sonne, Gelato, knatternde Vespas und ein Ort, den ich nicht nur gesehen, sondern mit allen Sinnen erlebt habe. Ich bin dort zigmal durch dieselben Gassen gelaufen (um genau zu sein die Via Bafile), habe Shops besucht, die später die Vorlage für einen frei erfundenen im Buch Liebst du mich morgen noch waren.

Und siehe da: Als das Buch erschien, kamen Rückmeldungen wie:
„Ich konnte das Kopfsteinpflaster fast unter den Füßen spüren!“
„Man riecht das Meer!“
Ich dachte: Aha. Echte Recherche macht also doch einen Unterschied.

Das Leben und die Limits

Natürlich wäre es ein Traum, für jedes Buch mal eben nach Italien, Island oder in die Tiefen der Sahara zu jetten.
Realität: Ich schreibe nebenbei. Und da ist das Limit meistens schon nach einer Stunde Autofahrt erreicht. Zeit und Geld sind nicht immer auf meiner Seite, schon gar nicht gleichzeitig.

Gezielte Recherche kann schnell teuer werden – oder schlichtweg nicht machbar. Also: Plan B.

Recherche à la Alltag

Ich nutze am liebsten Orte, die ich ohnehin gut kenne. Nicht, weil ich faul bin, sondern weil es effizient ist.
Wenn ich weiß, wie das Licht in der Bäckerei morgens durch die Scheibe fällt oder wie der Grantler hinter der Theke seine Brötchen verkauft, dann kann ich das viel lebendiger erzählen als irgendeinen Ort, den ich nur aus Wikipedia kenne.

Dazu kommen Dokus. Ich liebe Dokus!
Sie sind meine Geheimwaffe für alles, was ich nicht live erleben kann – mit dem praktischen Bonus, dass ich dafür nicht mal Schuhe anziehen muss. Manchmal schlafe ich zwar dabei ein, aber hey: auch das ist Recherche. Entspanntes Lernen quasi.

Projekt Zirkus – Manege frei für die Realität

Mein aktuelles Projekt heißt Cirque du Malheur. Der Name ist Programm – aber dazu später mal mehr.

Da es im Zirkus spielt, war für mich klar: Ich muss da rein. Nicht als Artist (obwohl… ein bisschen Glitzer schadet nie), aber zumindest als Zuschauer.
Ich habe mir eine Vorstellung angesehen, mich in die Atmosphäre fallen lassen und versucht, alles aufzusaugen:
Den Geruch von Popcorn und Sägemehl, die nervöse Spannung vor dem Auftritt, das Kratzen der Lautsprecher. Und natürlich den Moment, wo Fehler in der Manege passierten. Es war insofern perfekt, weil der Zirkus klein war und nicht auf Perfektion gedrillt wie so mancher moderne, wo alles bis zum kleinsten Zehenspreizer sitzt.

Ich plane noch weitere Zirkusbesuche, weil das Flair einfach nicht ersetzbar ist.
Am liebsten würde ich ein Praktikum machen – aber mit Familie und Job ist das ungefähr so realistisch wie ein Einhorn in der Manege.

Caorle calling – die nächste Recherche-Reise

Ein anderes Projekt steckt noch in den Kinderschuhen, aber ich weiß schon jetzt: Dafür will ich wieder nach Italien. Genauer gesagt: nach Caorle. Der historische Stadtkern, das Umland, das Licht am Abend … Ich muss sehen, ob dieser Ort die Geschichte tragen kann, die mir im Kopf herumschwirrt.
Das spürt man erst, wenn man wirklich dort war.

Fazit: Recherche hat viele Gesichter

Ob man durch Google scrollt, alte Urlaubserinnerungen anzapft oder sich ins Zirkuszelt setzt – Recherche ist alles, was hilft, eine Geschichte lebendig zu machen.
Nicht immer perfekt, nicht immer akademisch, aber immer mit Herz und Neugier.

Und manchmal reicht auch einfach ein gutes italienisches Eid. Oder eine Doku. Oder beides.

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