Kennt ihr das Gefühl? Man steht an irgendeinem Punkt im Leben mit all seinen Höhen und Tiefpunkten, den persönlichen Krisen, überwunden oder noch in der Bearbeitung und fragt sich: „Wie bin ich überhaupt hierhergekommen?“
Dann beginnt häufig die Fehleranalyse, was man nicht alles hätte besser machen können, eine Prise Bedauern, ein Löffelchen Zuversicht für die Zukunft und im besten Fall die Akzeptanz des Status quo.
Mein Weg zum Autor war keineswegs geradlinig. Es war nicht der Masterplan in Kindheitstagen, dass ich mal vom Schreiben leben würde. Zwar habe ich bereits in jungen Jahren wirklich viele Wörter verfasst – zuallererst die Geschichte zu einem von mir gescripteten Rollenspiel – aber von diesen Laienwerken bis zum Autor war es ein verdammt langer Weg.
Vom Leser zum Schreiber
Ich glaube, es gibt keinen Schriftsteller, der nicht auch gleichzeitig liest. Ein Großteil unserer Inspiration kommt mit Sicherheit von dem, was wir bereits kennen. Die Kreativität liegt dann darin, aus Bekanntem etwas Neues zu machen.
Meine ersten kreativen Ergüsse entstanden während der Schulzeit. Bei Aufsätzen ließ ich meine Gedanken frei fließen – zur Belustigung meiner Klasse. Humorvolle Geschichten waren lange Zeit mein Steckenpferd. Auch privat schrieb ich damals aus Jux immer mal wieder völlig absurde Geschichten, die nichts anderem dienten, als mich und andere zu erheitern.
Dabei war das überhaupt nicht das Genre, das ich las. Ich war totaler Fantasyfan, habe riesige Wälzer gelesen und mich in fremde Welten entführen lassen. Irgendwann bin ich als Jugendlicher dann auch schreibtechnisch dorthin geschwenkt. Erst scriptete ich Spiele in diesem Genre und dann begann ich mein erstes Buch. Ich kann nicht mehr genau sagen, ob dabei schon der Gedanke mitspielte, einmal Autor zu werden. Es ging in erster Linie darum, meine unzähligen Ideen runterzuschreiben. Denn davon ging mein Kopf förmlich über. Ich war regelrecht gezwungen zu schreiben.
Meine ersten Werke waren unheimlich lehrreich für mich und wahrscheinlich auch grottenschlecht. Ungeplant, frei nach Schnauze, voller Bandwurmsätze, aber dafür ein hervorragendes Schreibtraining. Im Nachhinein habe ich zum Spaß einige davon grob überarbeitet, um sie zumindest lesbarer zu machen. Dadurch habe ich gemerkt, wie stark ich mich in meiner Schreibe entwickelt habe.
Als aus Spaß Ernst wurde
Ich habe mir den Spaß gemacht, tatsächlich nachzuzählen, wie viel ich ungefähr geschrieben habe. Über die Jahre ab meinem 14. Lebensjahr häuften sich auf meiner Festplatte fünf fertige, fünf unfertige und eine Menge mehr oder minder ausgearbeiteter Ideen an. Insgesamt rund 600.000 Wörter. Das sind über sieben Harry Potter Teil 1!
Rechnet man, dass ich für 1000 Wörter reine Wortproduktion (nachdem ich erfahrener und schneller wurde) rund eine Stunde brauchte, dazu für die Planung mehrere Tage verwendete und die Überarbeitung mindestens genauso lange brauchte, kann man hier von rund 1.700 Arbeitsstunden ausgehen, was 212 Vollzeit-Arbeitstagen entspricht. Das ist eine verdammt große Menge Zeit für etwas, was nichts bringt außer Spaß an der Freude.
Mir wurde klar, dass ich dieses freizeitfressende Hobby so nicht mehr betreiben konnte. Entweder ich höre damit auf oder ich muss mich professionalisieren. Ich las also einiges an Literatur, veröffentlichte auf Wattpad, tauschte mich mit anderen Autoren aus, versuchte auch die ein oder andere Verlagseinsendung (erfolglos) und brachte weitere 630.000 Wörter aufs Papier – in drei Jahren. Mittlerweile bei über einer Millionen Wörtern angekommen, ohne je einen Cent zu sehen, war mir klar, jetzt muss ich das Ganze wirklich ernsthaft angehen, sonst legt mich meine Frau um.
Die erste Veröffentlichung
Man könnte jetzt annehmen, ich hätte einfach ein geschriebenes Buch genommen und es veröffentlicht. Hab ich aber nicht. Dafür war die Angst zu groß, dass es nicht gut genug war, nicht in den Mainstream passte. Denn eines hatte ich aus der Verlagssuche und dem Büchermarkt gelernt: Du brauchst ein Thema, das sich – aus Sicht des Verlags – möglichst gut verkaufen lässt. Nur hatte ich keinen Bock mehr auf Verläge und hab’s in Eigenregie getan.
Budget war keines da. Wer will nach knapp 4000 gratis Arbeitsstunden auch noch einen Haufen Geld in Lektorat und co. investieren, ohne zu wissen, ob was daraus wird? Also habe ich selbst hundertfach korrekturgelesen, Freunde und Verwandte über mein Manuskript lesen lassen, Testleser und und und – bis ich relativ sicher war, dass die Fehlerdichte auf einem akzeptablen Niveau lag.
Nur für das Cover gönnte ich mir eine günstige Designerin, nachdem ich definitiv nicht gewillt war, das nebenbei auch noch zu lernen. Nach der Veröffentlichung herrschte dann erstmal Ernüchterung. Natürlich verkaufte sich das Buch eines Noname-Autors inmitten eines Ozeans von Büchern eher schlecht als recht.
Meine persönliche Aufgabe
Ich schrieb noch drei weitere Bücher, die ich allesamt veröffentlichte, nutzte Leserunden für Rezensionen und konnte einige gute Bewertungen abgreifen, die mir zumindest das Gefühl gaben, nicht völlig versagt zu haben. Aber ich musste auch realistisch denken. Hiervon war es unmöglich zu leben, mir fehlte das Budget für extensive Werbung, ich war nicht der Typ, der sein Buch in aller Welt anpreist und selbst vermarktet und ich hatte auch keine Zeit dafür.
Ich hakte das Ganze vorerst ab, konzentrierte mich auf die Akrobatik, wo ich weitaus erfolgreicher unterwegs war, und baute hier meine Selbstständigkeit aus.
Der Durchbruch & der Ausblick
Im Jahr 2023 hatte ich dann einen unerwarteten Erfolg. Ich schrieb mein erstes Fachbuch. Thema: Akrobatik. Das Ganze nicht aus dem Hintergrund heraus, dass ich damit was verdienen wollte. Nein, für meine Kurse wollte ich geeignete Illustrationen, außerdem notierte ich Unzähliges bzgl. Trainingsablauf, methodische Reihen für Techniken und und und. Das Ganze wollte ich in einer geordneten Form, mein eigenes Nachschlagwerk. Dann dachte ich mir, warum daraus nicht ein Buch für den Heimsportler machen? Die Akrobatik war für viele etwas Unvorstellbares, ich wollte beweisen, dass das jeder halbwegs sportliche Mensch hinbekommt.
Im Frühjahr 2023 – wenn ich mich recht erinnere – veröffentlichte ich das Werk und machte überraschenderweise Geld damit. Nicht besonders viel. Ich rechnete mir aus, dass ich damit die Investition für die Illustrationen vielleicht in einem Jahr wieder drin hatte, aber es motivierte mich. Also schrieb ich weiter in dem Bereich. 2024 kam dann mein Buch über das Bodenturnen und das hatte mehr Erfolg.
Nachdem ich einige weitere Bücher in dem Bereich geschrieben hatte, war es mir genug. Ich hatte einen Großteil meines Wissens in vereinfachter Form weitergegeben und die Verkäufe liefen angemessen. Jetzt hatte ich ein Budget, das ich mit gutem Gewissen für Werbung einsetzen konnte. Die Leidenschaft für das Romanschreiben packte mich wieder und gerade jetzt bin ich dabei, einige alte Werke aufzupolieren und neue zu schreiben. Noch bin ich weit davon entfernt, in diesem Genre erfolgreich zu sein, aber ich glaube daran, dass ich auch hier früher oder später einen Treffer lande.
Was ich gelernt habe
Es gibt wahrscheinlich viel bessere Erfolgsgeschichten, Autoren, die beim ersten Werk ins Schwarze trafen und richtig Kohle scheffelten. Das war definitiv nicht mein Weg und damit rechne ich auch nicht. Vielleicht schreibe ich dafür zu mies oder verfehle mit höchster Präzision den Nerv der Zeit.
Was für mich auf jeden Fall wichtig war, war die Schreibpraxis. Kreativität mag schwer zu erarbeiten sein, aber die Fähigkeit, Worte in eine hübsche Hülle zu verpacken, ist erlernbar. Ohne meine unzähligen nie veröffentlichten Werke hätte ich mich nie so weit verbessert, tatsächlich lesertauglich schreiben zu können.
Ein zweiter wichtiger Punkt für mich ist, dass man eine sichere Basis hat. Natürlich hätte ich mich voll ins Autorensein stürzen können, alles auf eine Karte setzen und dadurch mehr Zeitressourcen gehabt. Aber zu welchem Preis?
Ich habe früh geheiratet, wir wollten ein Haus, haben gespart, es war für mich nicht denkbar, mich hundertprozentig meiner Leidenschaft zu widmen. Damit hatte ich nie den Druck, unbedingt etwas verdienen zu müssen, was mich unheimlich entstresst hat.
Zuletzt der wichtigste Tipp: Dranbleiben. Vom Schreiben leben kann man nicht von heute auf morgen, aber wenn man es wirklich will, nähert man sich dem Ziel langsam aber sicher an. Wer früh aufgibt, wird nie sehen, ob seine Arbeit irgendwann Früchte trägt. Im schlimmsten Fall hat man tolle Erinnerungen und etwas Selbstgeschriebenes in der Hand, das man noch seinen Enkeln vorlesen kann.
In diesem Sinne
Frohes Schreiben für alle Autoren und allen Lesern sei gesagt: Denkt beim Schmökern in Bücher darüber, wie viel Zeit und Arbeit dahintersteckt.